Die Arbeitswelt verändert sich – aktuell rasanter denn je. Wie wird sie künftig aussehen? Wir haben bei einem Zukunftsforscher nachgefragt und stellen Ihnen die wichtigsten Trends vor.
Der Schreibtisch steht zu Hause, Chefs und Mitarbeiter kommunizieren zwanglos via Chat, und Dienstreisen sind Geschichte – wozu gibt es schließlich virtuelle Meetings? Viele von uns erleben gerade, dass traditionelle Gepflogenheiten der Arbeitswelt mehr und mehr an Bedeutung verlieren und an ihre Stelle andere Formen des Arbeitens treten.
»Homeoffice und Co. sind schlagartig groß geworden!«
Florian Kondert
Zukunftsforscher
Es sind Entwicklungen, die sich teilweise schon länger anbahnen. Durch die Corona-Pandemie aber haben sie binnen kürzester Zeit einen enormen Schub erhalten: Plötzlich experimentieren nicht mehr nur Kreativagenturen in den Metropolen mit neuen Arbeitsweisen.
„Die Akzeptanz von Homeoffice und Co. ist schlagartig groß geworden“, sagt Florian Kondert von Future Day, der sich als Zukunftsforscher unter anderem mit Arbeitstrends beschäftigt. „Unternehmen, die etwa in Sachen Digitalisierung noch im Dornröschenschlaf waren, hat die Pandemie aufgeweckt.“ Das Ergebnis: Heute ist viel mehr möglich als noch vor ein paar Monaten. Wir arbeiten digitaler, mobiler und flexibler. Eine Veränderung, die anhalten wird, ist Kondert überzeugt.
Homeoffice wird zum neuen Normal: Umfragen zeigen, dass viele Unternehmen auch nach der Pandemie verstärkt auf dieses Arbeitsmodell setzen wollen. Bei den Mitarbeitenden kommt das gut an. Sie versprechen sich davon mehr Zeit, mehr Autonomie und mehr Handlungsspielräume für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Auch andere Formen des ortsunabhängigen Arbeitens erfreuen sich zunehmender Beliebtheit: Längst handhaben nicht mehr nur Start-ups die Frage des Arbeitsplatzes flexibel – und lassen ihre Angestellten zumindest tageweise in Co-Working-Büros oder gar Cafés zur Tat schreiten.
Das Mitwerk bietet Schreibtische und Einzelbüros mit Start-up- Atmosphäre. Doch hier wird nicht nur gearbeitet: Auch gemeinsames Engagement fürs Viertel steht auf dem Programm.
mitwerk.org
Arbeiten wie im Urlaub, heißt es im Work Inn Bochum. Denn hier zieht durch alle Räume Karibikflair – vom großzügigen Coworking-Bereich bis hin zum Einzelbüro.
workinn.de/locations/bochum
„Viele Aufgaben lassen sich genauso gut aus der Ferne erledigen“, sagt Zukunftsforscher Florian Kondert. Dies zu ermöglichen, kann die Attraktivität eines Arbeitgebers steigern: Einer Studie zufolge würden viele Beschäftigte sogar auf ein Stück Gehalt verzichten, wenn sie dafür mobil arbeiten dürften – und zum Beispiel der tägliche Pendelstress entfällt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat jüngst sogar ein Recht auf Homeoffice ins Gespräch gebracht. Klar ist aber: Obwohl die Digitalisierung vieles möglich macht, lässt sich nicht jeder Job von überall erledigen. Und wo das mobile Arbeiten eine Alternative ist, kann es auch Risiken bergen – etwa, wenn es an ergonomischer Ausstattung oder unterbrechungsfreien Ruhephasen fehlt.
Für Führungskräfte ergibt sich dadurch eine besondere Herausforderung: „Sie müssen auf eine offene Kommunikation achten“, betont Kondert. „Haben alle, was sie brauchen? Klappt das Arbeiten in diesem Modus, oder müssen wir etwas ändern?“ Letztlich wirkten neue Arbeitsmodelle hier wie ein Brennglas: „Ob ich wirkungsvoll führe, zeigt sich mit räumlichem Abstand besonders deutlich.“
Wie lange und wann arbeiten wir? Über kaum eine andere Frage wird im Zusammenhang mit neuen Arbeitswelten wohl so viel diskutiert. Wissenswertes rund um Arbeitszeiten – und das „Zauberwort“ Flexibilität.
Neun von zehn Befragten ist es laut einer Stepstone-Umfrage aus dem Jahr 2019 wichtig, ihre Arbeitszeit beeinflussen zu können.
Schluss mit 9 bis 17 Uhr? Microsoft hat bereits 1998 starre Arbeitszeiten abgeschafft.
Frauen arbeiten 30,5 Stunden, Männer dagegen 38,7 – so die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Männern und Frauen im Jahr 2018.
Als erster Unternehmer in Deutschland hat Lasse Rheingans in seiner Bielefelder Agentur im Herbst 2017 den 5-Stunden-Tag eingeführt – bei vollem Gehalt und Urlaubsanspruch.
Seit 1918 ist der 8-Stunden-Tag in Deutschland gesetzlich verankert. Davor, zu Zeiten der industriellen Revolution, waren Arbeitszeiten von täglich 12 Stunden keine Seltenheit.
Unternehmen wünschen sich Beschäftigte, die kurzfristig zur Verfügung stehen und auch außerhalb der Kernarbeitszeit erreichbar sind.
Mitarbeiter wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem, aber trotzdem Berechenbarkeit.
Die Digitalisierung ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit. Wir hätten da ein paar Tipps für das digitale Arbeiten auf Abstand – und intelligente Helfer für analoge Treffen.
Wer über das Arbeiten von morgen spricht, kommt an Schlagworten wie Digitalisierung und Automatisierung kaum vorbei. Oft sind sie verbunden mit der Sorge, dass Arbeitsplätze und Geschäftsmodelle wegfallen. „Doch das muss nicht sein“, betont Zukunftsforscher Florian Kondert. „Wenn rechtzeitig umgedacht wird.“ Denn klar ist: Wenn Wirtschaft und Gesellschaft immer kleinteiliger und reicher an Schnittstellen werden, sind langfristig auch neue Talente gefragt. „Neben fachlicher Expertise, die immer wichtig bleiben wird, gewinnen vor allem Kompetenzen wie Differenzierungsfähigkeit und Kreativität an Bedeutung“, prognostiziert der Zukunftsforscher. „Nur damit können wir komplexe Sachverhalte verstehen und weiterspinnen.“
der Arbeitsplätze in Deutschland weisen ein hohes Automatisierungspotenzial auf. Quelle: Statista
Unternehmen täten gut daran, sich und ihre Mitarbeiter schon heute auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. „Wir müssen jetzt herausfinden, wo neue Möglichkeiten, neue Wertschöpfungsketten sind und welche Fähigkeiten wir dafür benötigen“, so Kondert. Dabei sollten Betriebe auch mal ausgehend vom sprichwörtlichen weißen Blatt Papier denken: „Es braucht mehr Scouts als Mitarbeiter – Entdecker, die entscheidende Signale im Unternehmen, bei Partnern und Wettbewerbern identifizieren und neue Chancen erkennen.“ Wie stellt sich unsere Firma am besten für die Zukunft auf? Für die Beantwortung dieser Frage lohne sich mitunter auch der Blick unabhängiger Berater, so Kondert: „Die schauen von außen und oft viel unverfrorener auf die Dinge – das kann äußerst hilfreich sein.“
Erschienen im Geschäftskundenmagazin ener.go