• Eine neue Mobilität
    Forschen für die rollende Energiewende

Eine neue Mobilität

Wir brauchen eine neue Form der Mobilität, damit die Energiewende funktioniert. Innovationen sind gefragt. Viele Forschende in der Region arbeiten daran.

 

Wolf Ritschel hat keinen Zweifel daran, wie sich die Mobilität entwickeln wird: „In zehn Jahren wird es kein Abenteuer mehr sein, mit einem Elektroauto durch Europa zu fahren.“ Er muss es wissen. Als Professor für Automobilinformatik an der Hochschule Bochum beschäftigt er sich seit vielen Jahren damit, neue Antriebssysteme voranzubringen. Die Elektromobilität ist ohne Frage angekommen auf unseren Straßen, die Zahl der E-Autos steigt täglich. Aber sie kann noch besser werden – zahlreiche Wissenschaftler*innen sind daher aktuell damit beschäftigt, an jeder einzelnen Stellschraube zu drehen.

Vitamin E

Die Zukunft steckt im Detail: Elektromobilität kann und wird noch besser werden.

In der Region werden sie in verschiedenen Bereichen von den Stadtwerken Bochum unterstützt. „Die Entwicklung bei den Fahrzeugen und bei der Ladetechnik ist rasant“, bestätigt Jannis Bär, Leiter des Bereichs Elektromobilität bei den Stadtwerken. Ritschels Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Elektrofahrzeugen und ihren Batterien. Er forscht auch zu Brennstoffzellen für Wasserstoffautos und Antriebsmöglichkeiten durch Solarkraft. „Bei den Autoherstellern und ihren Zulieferern spielen ökonomische Zwänge eine Rolle. Das ist in der Forschung anders.“ Viele Ansätze kommen daher aus der Wissenschaft und werden von der Industrie weiterverfolgt. Dabei findet der Wissenstransfer oftmals über die einzelnen Menschen statt. „Aus unserem Institut heraus hat es beispielsweise bereits acht erfolgreiche Ausgründungen gegeben, also neue Unternehmen, die von ehemaligen Mitarbeitenden betrieben werden.“

Zwei Männer an einem Elektroauto (Foto: Martin Leclaire)
Unter Strom

Aus Visionen werden reale Fahrzeuge, die immer weiter verbessert und unter Realbedingungen getestet werden.

Fachwissen weitergeben

Mit dem BoMobil hat das Institut, unterstützt von den Stadtwerken Bochum, sogar einen eigenen elektrisch angetriebenen Kleinlaster entwickelt. Einen der beiden Prototypen haben die Wissen­schaftler*innen gerade auseinandergenommen, um ihm eine neue Batterie zu verpassen. Sie lädt viel schneller als die bisherige Batterie und hat eine Reichweite von stolzen 800 Kilometern.

Ein Erfolgsrezept besteht nach ­Ritschels Meinung darin, schon die Studierenden eng einzubeziehen, die dadurch großes Fachwissen erwerben. Schließlich sei es eine der wichtigsten Aufgaben der Hochschulen, Ingenieur*innen auszubilden. „Wir haben beispielsweise einen Bausatz entworfen, mit dem es möglich ist, ein normales Motorrad mit Verbrennermotor zu einem elektrischen Motorrad umzurüsten. Dabei erfahren die Studierenden wichtige Grundlagen der Technik.“

Verbrenner erfolgreich umgerüstet

Details verbessern

Die Stadtwerke Bochum bauen die Ladeinfrastruktur stetig aus. Aktuell betreiben sie 137 Ladepunkte im Stadtgebiet, davon 127 Normal- und 10 Schnellladepunkte, und sie bieten ihren Privat- und Gewerbekunden Ladelösungen zur Pacht und zum Kauf an. Trotzdem hängt vieles beim Thema Elektromobilität von den Batterien ab. Constantinos­ Sourkounis ist Professor für Energiesystemtechnik und Leistungsmechatronik an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Er führt durch kleine Veränderungen große Unterschiede herbei. Denn eine Batterie besteht aus vielen kleinen Zellen. Diese sind jedoch nicht exakt gleich, weil es durch die Herstellung zu winzigen Abweichungen kommt – mit gravierenden Folgen. Denn dadurch laden und entladen sich die Zellen nicht gleichmäßig. Ist aber nur eine Zelle voll aufgeladen, was sich an einer bestimmten Spannung zeigt, beendet die Fahrzeugelektronik den Ladevorgang – obwohl die übrigen Zellen weitere Energie aufnehmen könnten. Sourkounis will daher erreichen, dass die Zellen untereinander die Energie ausgleichen, damit alle die gleiche Spannung haben.

Batterie in einem Versuch (Foto: Martin Leclaire)
Lädt und lädt und lädt ...

Vor allem die Lebensdauer der Batterien steht im Fokus.

Parallel arbeitet Sourkounis an einem intelligenten Bremsmanagement. Rekuperation heißt der Fachbegriff für einen tollen Trick: Vereinfacht gesagt wird die Energie, die beim Bremsen freigesetzt wird, aufgefangen und wieder der Batterie zugeführt. Das funktioniert allerdings nur bei der Antriebsachse. Damit ein Auto sicher zum Stehen kommt, wird die Bremskraft jedoch auf beide Achsen verteilt – es geht also viel Energie verloren. Sourkounis setzt daher eine Software ein, die in Echtzeit misst, wie stabil das Fahrzeug ist und dementsprechend die Bremskraft auf die Achsen verteilt. Bei normalen Bremsvorgängen reiche nämlich die Bremswirkung der Antriebsachse völlig aus. „Dann können wir tatsächlich bis zu 100 Prozent der Bremsenergie zurückgewinnen.“

Bochum sauber unterwegs

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Die intelligente Stadt

Eine Mobilität der Zukunft geht aber weit über Elektroautos hinaus. Haydar Mecit ist Professor für urbane Energie und Mobilitätssysteme. Er betrachtet an der Hochschule Bochum die Stadt als ganzes System, in dem die Bürger*innen mobil sein wollen, aber beispielsweise über Solardächer auch selbst Energie produzieren – Smart City, also die intelligente Stadt, ist sein Thema. „Die Digitalisierung ermöglicht eine umfassende Vernetzung“, sagt er, „aber wie kann das praktisch ablaufen?“ Es müsse zum Beispiel möglich sein, dass ein Hausbesitzer Solarenergie an den Nachbarn abgibt, wenn der einen größeren Bedarf habe. Unter anderem wegen der heterogenen IT-Landschaft sei das jedoch eine große Herausforderung. „Wir brauchen eine Art übergreifendes Betriebssystem für die ganze Stadt.“

An genau so einer IT-Plattform arbeitet der Informatiker. Dafür dient die Stadt Herne als Reallabor. „Wir haben beispielsweise an verschiedenen Standorten einfache Wetterstationen verteilt. Ihre Daten spielen wir in unsere Plattform ein, um Mobilitätskonzepte zu entwickeln, etwa ein Frühwarnsystem für mögliches Glatteis.“ Aktuell arbeitet Mecit zudem daran, Reservierungsmöglichkeiten für Ladepunkte in Parkhäusern zu testen. Dafür zeigen Sensoren an, ob der Parkplatz gerade frei ist. „Wenn eine Person dann über eine App die Ladesäule reserviert, soll sie, beispielsweise mit einem Code, einen digital gesteuerten Poller herunterfahren können.“ Die wichtigste Aufgabe sieht er darin, die Machbarkeit guter Ideen zu zeigen.

Frühwarnsystem für Glatteis

Frau mit Durchgangsprüfer (Foto: Martin Leclaire)
An der Schaltstelle

Auch von der elektronischen Steuerung im Auto hängt vieles ab.

Sharing-Konzepte in Sicht

Doch wie viel bringen diese Innovationen? Nach einer Antwort sucht Semih Severengiz, Professor am Fachbereich Elektrotechnik und Informatik der Hochschule Bochum und zuständig für das Thema Nachhaltigkeit in der Technik. „Wir fragen uns bei allen Ideen, ob sie wirklich Treibhausgase einsparen?“ Er setzt auf Konzepte wie Sharing, idealerweise für Kleinst-Fahrzeuge wie elektrische Tretroller, Lastenfahrräder und elektrische Mopeds, auch Light Electric Vehicles genannt. Deren CO2-Bilanz kann nämlich im Sharing sogar besser sein als die des Öffentlichen Personennahverkehrs. „Wir wollen erreichen, dass das Mobilitätsbedürfnis der Bürger*innen befriedigt wird, ohne dass immer mehr Autos auf den Straßen fahren.“ Klar ist: Ein Konzept wie das E-Moped-Sharing kann nur mit einer guten Infrastruktur funktionieren.


Severengiz stellt sich etwa Akkuwechsel- oder Solarladestationen vor, die nicht ans Stromnetz angeschlossen sind, weil sie die Energie etwa über Solarmodule beziehen. Zum anderen fragt er sich, wie sich die Nutzer*innen in ein solches Konzept einbinden ließen, um die Akzeptanz für diese Art der Fortbewegung zu erhöhen. „Was wäre, wenn sie selbst den Akku austauschen könnten und Supermärkte oder Kioske Wechselakkus bereithielten?“ Für eine praxisnahe Erprobung müssen alle Akteure in einer Stadt zusammenarbeiten. „Wir arbeiten in diesem Zusammenhang eng mit den Stadtwerken zusammen, beispielsweise für Batteriewechselstationen.“ Er ist optimistisch, dass solche Ideen auf lange Sicht funktionieren. Denn er hat bereits festgestellt: „Die jüngere Generation ist schon weiter.  Die hängt nicht so sehr am eigenen Auto.“

 

 

 

Erschienen im Kundenmagazin Meine Stadtwerke

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