Sie prägen den Charakter des Ruhrgebiets bis heute – die ehemaligen Arbeitersiedlungen. Die Sozialbauten früherer Jahrhunderte sind heute besonders begehrte Wohnlagen. Eine kurze Reise in fünf der schönsten Quartiere.
Was heute aus dem Ruhrgebiet nicht mehr wegzudenken ist, wäre in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vielerorts fast verschwunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten Stadtplaner viele der als Relikt der Vergangenheit geltenden Arbeitersiedlungen abreißen. Das große Engagement von Bürger*innen verhinderte das, und der Denkmalschutz nahm sich der Siedlungen an. Heute sind sie meisten Viertel saniert und nicht nur bei den Bewohner*innen, sondern auch als Ausflugsziel beliebt.
Die Siedlung Margarethenhöhe in Essen gilt als erste Gartenstadt Deutschlands.
Die älteste Arbeiterkolonie im Ruhrgebiet entstand ab 1846 in mehreren Ausbaustufen. In den 1970er Jahren wurde sie bundesweit bekannt – durch den Protest der Anwohner*innen gegen ihren drohenden Abriss. Unterstützt wurde der Widerstand durch die Wissenschaft, die die Arbeiterkultur dokumentierte, einer weiten Öffentlichkeit bekannt machte und so letztendlich den Erhalt unterstützte.
Darum lohnt sich der Besuch:
In den Straßen von Eisenheim unternehmen Besucher*innen eine Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert, als der Ruhrbergbau noch in den Kinderschuhen steckte. Die dörfliche Atmosphäre inmitten der Ziegelhäuser ist einmalig. Ein kleines Museum bringt Besuchern die Geschichte Eisenheims nahe (es ist wegen Umbaus allerdings momentan geschlossen).
Verklinkerte Häuser machen den Charme von Eisenheim aus.
Namensgeberin ist Margarethe Krupp, Gattin von Friedrich Alfred Krupp, die die Siedlung 1906 stiftete. Bis 1938 entstanden fast 1.000 Häuser. Die ursprünglich nur für Bedürftige vorgesehene Siedlung ist heute beliebtes bürgerliches Wohnviertel. Sie ist immer noch im Besitz der Margarethe-Krupp-Stiftung.
Darum lohnt sich ein Besuch:
Die Siedlung entstand nach dem Vorbild der englischen Gartenstädte und besticht durch jede Menge Grün. Bei der Planung der Gebäude entschied sich der Architekt für einen Kompromiss zwischen Einheitlichkeit und Vielfalt: Er legte einen Katalog von Elementen fest, die immer wieder neu kombiniert wurden.
Die Margarethenhöhe besticht durch viele pflanzenumschlungene Gebäude.
Vor dem Ersten Weltkrieg entstand auch in Herne eine Kolonie als großzügig gestaltete Gartenstadt, direkt neben der gleichnamigen Zeche im Stadtteil Börnig gelegen. Ab den 1980er Jahren wurde die Siedlung aufwändig saniert und im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Sie gehört heute zu den am besten erhaltenen Siedlungen ihrer Art.
Darum lohnt sich ein Besuch:
Bei der Sanierung der Siedlung legte man viel Wert auf historische Genauigkeit. Und so wird das Gartenstadt-Flair vom Beginn des 20. Jahrhunderts hier wieder lebendig. Der Wechsel von Klinkerfassaden und Putzflächen, freiliegendes Fachwerk, rote Ziegeldächer, Eingangsloggien und Vorgärten ohne Zäune gehören zu den stimmigen Merkmalen der Siedlung Teutoburgia.
1998 wurde die Sanierung der Siedlung Teutoburgia sogar mit dem Deutschen Bauherrenpreis ausgezeichnet.
Die Siedlung entstand zwischen 1906 und 1915 auf dem Gelände eines ehemaligen Rittergutes. Ihr Spitzname: „Kappeskolonie“ – denn wie in so vielen Arbeiterkolonien bauten die Bewohner hinter den Häusern reichlich Gemüse an und auch Ställe fürs eigene Vieh gab es. Erhalten wird das Siedlungsbild bis heute durch eine strenge Gestaltungssatzung.
Darum lohnt sich ein Besuch:
Mitten im Bochumer Stadtteil Hordel fühlen Sie sich in ein westfälisches Bauerndorf versetzt. Daran erinnert die Bauform der Häuser mit ihren tief heruntergezogenen Dächern. Zu den Doppelhäusern für die Bergleute gesellen sich die großzügigeren Beamtenhäuser. Die ehemaligen Nutzgärten dienen heute größtenteils der Erholung und sorgen ebenso wie die zentrale Parkanlage für eine grüne Idylle.
An ein westfälisches Bauerndorf erinnern die Straßenzüge der Dahlhauser Heide.
Die Siedlung, deren Name so viel bedeutet wie „Lange Reihe“, geht auf Solinger Klingenschmiede zurück, die im 17. Jahrhundert ihre Heimat verließen und sich im damaligen Dorf Eilpe bei Hagen niederließen. Sie bauten ihre Häuser Wand an Wand entlang eines Flusses und betrieben dort ihre Klingenschmieden. Die hier produzierte Ware lieferten sie die bis ins ferne Brandenburg, zu dem die Region um Hagen damals gehörte.
Darum lohnt sich ein Besuch:
Die älteste Arbeitersiedlung Westfalens ist deutlich älter als die Kolonie in Oberhausen-Eisenheim oder die Gartenstadt-Siedlungen im Ruhrgebiet. Sie lockt mit Fachwerk-Idylle am Selbecker Bach, der knapp 200 Meter von den Häusern entfernt in die Volme mündet. Im umliegenden Ort stehen noch weitere sehenswerte Fachwerkhäuser und auch das LWL-Freilichtmuseum Hagen ist in der Nähe.
Noch als Fachwerkhäuserzeile entstand die älteste Arbeitersiedlung des Reviers ins Hagen.